Interview mit einem Vater. Die achtjährige Tochter befragt Ihren Papa nach seinem Schwimmhobby.
- thorsten-ullrich
- 6. Nov. 2018
- 9 Min. Lesezeit
Wie alt warst Du als Du schwimmen gelernt hast?
Da war ich ungefähr so alt wie Du, als Du schwimmen gelernt hattest. Als mein Papa mit mir einmal im Freibad war, da war ich glaube ich vier Jahre alt, bin ich in das große tiefe Becken gefallen. Wenn mich ein Freund von meinem Papa nicht sofort rausgeholt hätte, wäre ich untergegangen.
Wärst Du dann tot?
Nee, Papa kann doch schwimmen und mich haut doch nix um. Weißt Du doch. Aber mein Papa meinte dann, dass es an der Zeit wäre richtig schwimmen zu lernen. Er steckte mich auch gleich in einen Schwimmverein.
Warst Du gut im Schwimmen?
Sagen wir mal so. Ich war fast immer beim Training, und an den Wettkämpfen habe ich immer teilgenommen. In meinem Verein war ein Freund, mit dem bin ich immer bei den Wettkämpfen um die Wette geschwommen. Mal bin ich Vereinsmeister geworden. Mal er. Da waren wir 10 oder 11.
Wie hieß der Freund?
Der hieß Mike.
Cool. Und weiter?
Wenn wir zu den großen Wettkämpfen waren, z.B. in Hamburg oder in Kiel, wussten wir eigentlich gar nicht wo wir waren. Die Schwimmhallen waren so groß. Da waren so viele andere Kinder und Erwachsene die um die Wette schwammen. Abends fuhren wir wieder nach Hause, und wir hatten so viel Tolles erlebt, dass ich meistens gar nicht einschlafen konnte.
Hast Du dann viele Medaillen gewonnen?
Ach naja. Einige. Nachher als ich älter wurde, war ich auch ernsthafter bei der Sache. Und ich merkte, dass ich schneller und besser wurde. Ich wurde auch größer und stärker. Schau mal deine Füße und Hände an. Du wirst bestimmt so groß wie ich…..
…….ja, dann spuke ich Mama auf den Kopf….
Stimmt. Aber Du merkst ja selber, dass Du nun mit den Armen, Händen und Beinen überall gegenstößt, weil du wächst. Mit den Ellenbogen usw. Beim Ballett achtet deine Trainerin ja nun auch mehr darauf, dass Du deine Grundpositionen eleganter ausübst.
Damals spielte ich als Jugendlicher noch Handball, und ich bin ständig übergetreten. In den Kreis oder beim 7-m-Werfen, oder bei der Leichtathletik, beim Weitsprung. Mein Handballtrainer sagte immer, dass er meine Flossenfüße noch einmal abschneiden wird. Er wusste ja, dass ich ganz gut schwimmen konnte.
Was war mit Kirsche?
Meine Schwester Kirsche war richtig gut und schnell im Schwimmen. Als sie ein Teenager war, ging sie in ein Sportinternat für Schwimmer. Da hatte sie jeden Tag zweimal Schwimmtraining. Einmal vor der Schule, und einmal nach der Schule. Und überall waren Schwimmer oder andere Sportler. Am Wochenende war sie dann bei uns zu Hause. Also bei Oma, Opa und mir. Oder es waren an den Wochenenden Wettkämpfe, wo wir hinfuhren. Als sie 17 – 18 Jahre alt wurde, beendete sie das Schwimmen und machte was anderes.
Da hab ich keine Lust drauf. Und dann bekam sie Kinder. Meine drei Cousinen und Cousins?!
Noch nicht ganz. Das dauerte noch ein bisschen. Erst einmal musste sie den Mann kennenlernen, mit dem sie die drei Cousinen und Cousins hat.
Und Du bist nach Hawaii zum Triathlon?
Ähm, auch noch nicht ganz. Das dauerte bei mir auch noch ein paar Jahre. Damals, als ich 16 Jahre alt war, hörte ich von der neuen Sportart: Triathlon. Mäuschen, das war 1982. Da gab es noch keine Smartphones oder Computer, und das Licht in der Küche mussten wir noch mit der Hand ausschalten. Damals waren drei Freunde und ich bei einem Feldhandballturnier. Weißt Du, so etwas was wir im Urlaub in Cuxhaven gesehen hatten. Draußen auf dem Fussballfeld Handball spielen und abends campen und mit den Mädchen flirten……
……wäääh, das ist blöd…….
Naja. Hast Recht. Das ist blöd. Wir hörten damals im Radio, dass auf Hawaii Deutsche bei einem Ironman-Triathlon mitgemacht hatten und auch recht gut waren. Wir waren einfach nur fasziniert, und konnten uns nicht vorstellen, dass ein Mensch so etwas schaffen kann. Und die beiden Deutschen die damals recht gut waren, waren unsere Helden und Vorbilder. Ich weiß noch wie Frank und Michael sich mit Tesa-Film „IRONMAN“ auf den Rücken und auf den Bauch geklebt hatten und einen Sonnenbrand bekamen. Als sie den Tesa-Film weg machten, hatten sie zwei Wochen lang „IRONMAN“ auf dem Körper stehen. Wir haben uns immer gekringelt vor Lachen. Beim Schwimmtraining und so.
Papa, das ist nicht cool. Und weiter?
Knapp ein Jahr später starteten Michael, Frank, Reinhard und ich in Süddeutschland bei einem Triathlon (Anmerkung: 1983 in Koblenz, Am Deutschen Eck). Das war der zweite Triathlon in Deutschland überhaupt. Vorher gab es gar keinen Triathlon (Anmerkung: Außer 1982 in Essen). Da wir noch Jugendliche waren, durften wir nur über die kurze Strecke starten. Die große Strecke machten nur die Erwachsenen. Auch die beiden Helden von Hawaii waren dabei.
Hast Du ein Autogramm von denen?
Nein nein, wir wussten gar nicht wie die wirklich aussahen. Und da war so viel los. Ich weiß nur noch, dass wir einen Tag vorher im Freibad in Koblenz waren, und dort zwei nette süße Französinnen kennen gelernt hatten…….
Papa, hör auf damit!
Okay. Es gab damals auch noch keine Regeln beim Triathlon. Man durfte mit irgendeinem Rad fahren. Man durfte im Pulk fahren, also alle zusammen. Das ist heute verboten. Es gab keine Helme. Keine Neoprenanzüge. Laufschuhe hatte ich einfach für das Rad fahren angezogen usw. Die Reihenfolge: Schwimmen, Rad fahren und zum Schluss Laufen waren aber schon immer so. Ich bin am Ende als Gesamt-Siebter eingelaufen. Auch damals war ich gut im Schwimmen und gleich als Erster aus dem Wasser raus. Aber kurz vor Koblenz, kurz vor der Wechselzone, kamen alle Radfahrer von hinten im Pulk angedonnert.
Ey, das ist ungerecht!
Genau. Kurz danach gab es das Windschattenfahrverbot. Ich musste aber in dem Moment aufpassen nicht zu stürzen. Ein Chaos.
Ist da was passiert?
Nein. Das hatte mich selber gewundert. Denn wir fuhren alle zusammen auf einen Schulhof, wo viele Fahrradständer waren. Solche wie vor dem Supermarkt, weißt Du? Damals hatte ich aber voll aus dem Bauch heraus entschieden. So wie ich es Dir immer sage, wenn du Dich entscheiden musst. Höre auf deinen Bauch und auf dein Gefühl. Gehe mit und sieh was die Situation Dir bringt.
Schon klar. Wie ging das dann weiter?
Ich hatte im Gegensatz zu fast allen anderen meine Laufsachen schon an. Die anderen suchten in dem Chaos ihre Laufschuhe und den Beutel mit der Laufhose usw. Die hatten fast alle Radschuhe und Radhosen an. Sie suchten alle einen Ständer für das Fahrrad. Ich schmiss mein Rad einfach in die Ecke und lief los. Daher war ich gleich ganz vorne. Die sechs Leute vor mir, waren vorher aus dem Riesenpulk weggefahren. So wie Du das im Fernsehen bei den Radprofis siehst. An die kam ich beim Laufen zwar heran, doch ich konnte die nicht einholen. Da war Papa noch zu schlapp.
Genau, schlapper Papa. ….und das Fahrrad?
Mit dem war alles in Ordnung. Das lag noch dort wo ich es hingeworfen hatte. Ich fuhr noch ein paar Jahre auf ihm herum.
Wo ist das jetzt?
Ach Süße, das weiß ich nicht mehr. Ich hab das damals an eine Freundin verkauft. Ich weiß aber nicht mehr wie die hieß.
Und dann bist du nach Hawaii?
Mmmh, nee, das dauerte auch noch ein paar Jahre. Ich musste doch die Schule beenden. Und dann musste damals jeder Mann in Deutschland Soldat werden. Einen Beruf hatte ich auch noch gelernt.
Genau Klempner.
Richtig. Aber als ich mit dem Studium anfing, da entschied ich mich, das mit dem Triathlon zu probieren, und nach Hawaii zu kommen. Tochter: Es ist wichtig vorher was zu lernen!!
Ja Ja Papa, schon klar.
Hast ja Recht. Mach immer das wozu du Lust hast und was Dir Freude macht.
Muss ich auch studieren?
Ach Mäuschen. Du bist in der zweiten Klasse. Da unterhalten wir uns in 6-7 Jahren drüber, okay?
Ich will nicht studieren. Ich mache nachher das was Mama macht.
Aber Süße, Mama ist Meisterin und ging auch lange in die Schule. Dann musst du auch weiterhin in der Schule aufpassen. Doch Du kannst genauso gut zeichnen wie sie und magst Kunst, ich glaub das schaffst du. Frag mich mal weiter.
Wie oft warst Du auf Hawaii und wo warst Du überall?
Ich hatte fünfmal auf Hawaii gefinisht. Das sagt man, wenn man den Wettkampf durchsteht. In das Ziel einläuft. Es gibt viele die das nicht schaffen. Auf Hawaii ist es heiß, ganz doller Wind, der meist von vorne kommt. Aber es gab Ironmanrennen die für mich noch härter waren. Lanzarote ist auch extrem hart. Da fährst Du bei noch stärkerem Wind einmal um die Insel herum.
Ist das da wo Julian im Urlaub war?
Nicht ganz. Julian und seine Eltern waren auf Mallorca.
Wo war es noch hart beim Triathlon?
In Südafrika sind die Berge ganz fies. In England war immer schlechtes Wetter mit Regen und in Florida bin ich vor Langeweile beinahe auf dem Rad eingeschlafen, da es dort so flach wie in Holland ist. Hast Du ja im Urlaub gesehen wie flach Holland ist. Außerdem war dieses Ironmanrennen genau drei Wochen nach dem Hawaii-Ironman, und ich hatte gemerkt, dass ich das nicht schaffe.
Wie meinst Du das?
Zwei Ironman-Rennen innerhalb eines Monats, funktionieren bei mir nicht. Mein Kumpel Michael schaffte das und wurde Altersklassensieger. Noch eine Lektion fürs Leben: Was bei dem einen funktioniert, funktioniert bei Dir noch lange nicht.
Schon gut Papa. Wie hast Du Mama kennen gelernt.
Das war genau vor fast 10 Jahren. Ich war mit dem Triathlon fertig. Ich bin umgezogen und fing einen neuen Job an.
Den Du heute machst?
Nein. Der kam später.
Weiter?
Dann kurz vor Weihnachten ging ich mit Kristin zu einem Weihnachtsball, die Frau von Sven, die Du ja beide kennst. Sven hatte keinen Bock, und Kristin wollte nicht alleine dort hin. Ich ging mit Kristin dort hin, damit sie nicht alleine ist. Richtig im Anzug und Schlips, und Kristin im Ballkleid und Schminke und Schmuck, und da lief mir Mama über den Weg. Die kannte ich ja damals noch nicht. Mama ist ja auch eine Freundin von Kristin. Und ja, dann nahmen die Dinge ihren Lauf. Du bist jetzt 8 ½ Jahre alt. Da rechne mal nach.
Ich habe die Fotos gesehen. Das reicht mir. Dann fingst Du zu schwimmen an?
So ähnlich. Ich habe mein ganzes Leben Sport getrieben. Da kann man nicht von einen Tag auf den anderen aufhören. Dazu kommen meine Verletzungen aus der Zeit damals.
Was für Verletzungen denn?
Naja, meine Beine sind verbraucht. Vom ganzen Rumgelaufe. Die Achillessehnen, hab ich dir mal erzählt. Dauernd tat mir der Rücken weh, und tut er mir manchmal heute noch.
Genau. Du hattest mal einen Hexenschuss.
Unter anderem. Aber Du hast Recht. Die Wehwechen stammen alle von meinem dauernden und harten Training. Das, was immer noch gut ging, war das Schwimmen. Ich war immer gerne im Wasser, und damals beim Triathlon schwamm ich, um mich zu erholen. Als junger Kerl, der nicht verheiratet war, konnte ich viel und gerne trainieren. Es machte mir Spaß.
Und Mama und ich sind dann dagewesen.
Genau meine Süße. Obwohl ich ja dein erstes Lebensjahr zu Hause war, und Mama arbeiten ging, hatte ich keine Zeit für das Training. Ein Minizwerg lässt die Zeit für ein richtiges Training nicht mehr zu. Wobei du ja ein tolles Eltern-Einsteigermodell bist.
Ey, fieser Papa.
Nein, ernsthaft. Ich konnte erst wieder beginnen, als du aus dem gröbsten raus warst. Und da ich ja mit Dir dann öfters in die Schwimmhalle ging, kam ich auch wieder mit den Schwimmvereinen und den Schwimmmeistern in Kontakt. Dann hab ich Werner gefragt, den ich noch von früher kannte und nun Trainer im Schwimmverein ist, ob ich bei Ihm mittrainieren darf. Zwei, dreimal die Woche.
Der der mich auf dem Foto auf dem Arm hat?
Genau, auf dem Foto bis Du fast drei Jahre alt.
Papa, im Flur, da hängt auch das Bild von Erwin……
Oh ja. Mein alter Sportkumpel Erwin. Der leider verstorben ist.
Ich weiß. Der hatte Krebs. Warst Du sehr traurig als er starb?
Oh ja. Sehr. Erwin hatte ich bei einem Winterlauf in Mölln kennengelernt. Da war ich ungefähr 20 Jahre alt. Er auch. Es gab eine Zeit da waren wir bei so vielen Wettkämpfen zusammen, und ab und zu trainierten wir zusammen. Er war dann auch früh verheiratet und hatte einen Sohn.
Kennst Du die Beiden?
Ja. Und Beide waren auch traurig als Erwin starb.
Aber weißt Du was? Erwin war auch total verrückt, und würde heute bestimmt auch mit mir schwimmen. Er würde mich bei meinen Ideen und Planungen voll unterstützen. Weißt Du was der Mal gemacht hatte? Vor langer Zeit?
Nein. Erzähl.
Der ist mal zur Chinesischen Mauer geflogen, und dort ungefähr 25 km auf der Großen Mauer gelaufen. Der hat total viele Chinesen als Fans gehabt.
Die Große Mauer kenn ich. Aus Ninjago. Da kämpft Loyd der Goldene Samurai, manchmal auch der Grüne Samurai, je nachdem was er an hat, gegen die Schlangen. Und Großmeister Wuh hilft ihm dabei. Soll ich mal erzählen?
Später vielleicht. Soll ich weiter erzählen?
Okay. Aber nachher erzähl ich von Ninjago. Du Papa? Eine Frage: Warum machst Du das immer noch? Auch mit dem Eiswasserschwimmen? Ich find das blöd.
Ach Süße. Das weiß ich nicht so genau. Mir macht es Spaß. Und ich tue niemanden weh damit, und es stört keinen.
Doch, du selbst hast Schmerzen. Das find ich blöd.
Süße, die Schmerzen hätte ich auch, wenn ich das nicht machen würde. Aber….. jetzt hab ich es! Ich habe doch das Video, wo du als Vierjährige mit dem Puki-Rad rumdüst. Da hattest du grade das Rad fahren gelernt. Da bist du am Trällern, am Lachen und so weiter.
Wo ist das Video?
Zeig ich dir gleich. Oder, als wir im Urlaub in dem Schwimmbad waren. Da bist du, als du die Angst abgelegt hattest, ohne Ende in der Röhrenrutsche gerutscht.
Ja. Können wir da hin?
Süße, das war im Urlaub. In Dänemark.
Trotzdem.
Das Schwimmbad hat dort schon zu. Ehrlich. Oder als wir im Abacolino waren (Anmerkung: Indoorspielplatz), da wolltest du nie wieder dort weg.
Ja. Können wir da hin? Jetzt? Bittebittebitte!?
Mäuschen, es ist jetzt gleich 20:00 h. Du musst mal langsam ins Bett.
Aber morgen. Versprochen?
Das kriegen wir bestimmt hin. Doch wir müssen morgen warten bis Mama von der Arbeit kommt (Anmerkung: Glücklicherweise wurde das vergessen, und der Besuch fiel aus).
Aber weißt du was ich dir damit sagen wollte?
Nein.
Du hattest Spaß und Freude bei dem was du gemacht hast. Und du wolltest immer mehr, und wolltest, dass es nie aufhört, richtig?
Genauso ist es bei meinen Schwimmaktionen. Ich möchte auch nie aufhören, und es macht mich glücklich was ich mache.
Versteh ich nicht. Kann ich fernsehen?
Nein. Du musst ins Bett. Jetzt.
Süße?
Ja?
Ich hab dich lieb.
Wo ist Mama?
Gute Nacht meine Süße………….
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