Open-Water-Training auf die harte Tour, 12. Mai 2019
- thorsten-ullrich
- 21. Mai 2019
- 9 Min. Lesezeit
Im vergangenen Winter hatten Conny und ich uns zu einem gemeinsamen Freiwasserschwimmtraining für diesen Sommer verabredet, da wir beide ein „größeres“ Schwimmprojekt vorhaben; unabhängig voneinander.
Wie schon mehrfach angesprochen, habe ich für dieses Jahr meine erste Schwimmetappe meiner Baltic 4our auf der Agenda (die diesjährige Strecke von Ratzeburg nach Travemünde, ca. 40 km).
Conny hatte ein Begleitboot inklusive des Skippers organisiert und wollte für das zweite Maiwochenende ein mehrtägiges Testschwimmen in der Ostsee abhalten.
Das Boot „Maja“ und der Käptn Jörn liegen im Sportboothafen in Laboe in der Kieler Förde.
„Maja“ und Jörn werden Conny bei ihrem Schwimmprojekt als Begleitboot bzw. Crew zur Verfügung stehen.
Ich für meinen Teil wollte neben der Einhaltung unserer Verabredung das Erlebnis haben, in der offenen See und in Begleitung eines „Kahns“ zu schwimmen. Wann kann man das sonst schon mal machen?
Conny und ihre Begleiterin für (das Training) Birgit, reisten schon am Donnerstag nach Kiel bzw. nach Laboe. Ich stieß am Freitagabend dazu. Im Gegensatz zu den beiden, wollte ich nur am Samstag schwimmend in der See verbringen.
Die Arbeit, die Tochter und die Ehefrau brauchten mich auch noch. Multitasking-Dad quasi.
Der Plan für den Samstag war eine ca. 6-h-Einheit in der offenen See, abseits der Schifffahrtslinien und im Neoprenanzug, da die Temperatur der Ostsee grade so bei 12°C lag.
Conny war den Tag zuvor und den Tag danach noch einmal (also zweimal) unterwegs. Hut ab. Das hätte ich nicht geschafft.........
Im Grunde war diese o.g. Einheit eine Erfahrung der ganz besonderen Art, und so etwas hatte ich noch nie erlebt.
Ich verbuche das Wochenenden auf dem Konto: ALTER SCHWEDE!!
Zeit und Treffpunkt der samstägigen Open-Water-Swim-Einheit war 09:00 h morgens an Deck der „Maja“ im Sportboothafen. Von dort sollte es raus auf die Ostsee gehen; und ab 10:00 h wollten wir in Richtung Skandinavien schwimmen.
Morgens früh 07:00 h klingelte der Wecker.
Frühstück, vor allem kübelweise Kaffee, und der Proviant für die Versorgung vom Boot aus wurden fertig gemacht. Morgens bin ich eigentlich nicht so ein großer Esser, ich musste mir den Hafer reinwürgen.
Neben den Iso-Getränken hatte ich mir ein paar Flaschen Cola besorgt. Cola kann ich als Zuckerquelle am Besten vertragen und bilde mir immer eine unglaubliche Beschleunigung nach der Aufnahme ein.
Der Nachteil: Man muss, wenn man einmal damit angefangen hat, die Cola immer weiter „saufen“. Sonst gibt es ein „Loch“ im „Zuckerspiegel“.
Des Weiteren hatte ich bei den vergangenen Trainings und Langstreckenschwimmen gemerkt, dass ich während der Breaks feste Nahrung zu mir nehmen muss.
Dieses ist im Wasser ein wenig schwierig, da der Mund immer „ausgespült“ wird und ab und zu „Atemnot“ herrscht. Doch mit ein wenig Übung und Ruhe (kauen im Wasser auf dem Rücken usw.) bekomme ich das hin. Den Rest kann man ja immer noch ausspuken. Das Gleiche gilt für die Salzbrezel, die auch noch kommen; wenn es mal mit dem schwimmen länger dauert.
Dementsprechend hatte ich Power-Bars und andere Energieriegel dabei (z.Zt. werden bei Penny Fitnessriegel angeboten, die ganz lecker sind – wenn ein Produkt erwähnt wird, muss das Andere auch erwähnt werden, grins).
Conny versorgte sich ab einem bestimmten Zeitpunkt mit Gummibärchen.
Okay, jedes Tierchen sein Posierchen, grins.
Vollgepackt mit Taschen, Ersatzklamotten, Casher, Seilen (für die Flaschen) und einem undefinierbaren nautischen Gerät (nachher erfuhr ich, dass dieses Gerät eine Art Radar war, und Conny dieses für Ihr Projekt ausprobieren wollte) landeten wir im Sportboothafen Laboe.
Die „Maja“ lag natürlich am hintersten Steg und am fast letzten Platz. Marschieren war dadurch angesagt.
Dieser Platz hatte jedoch den Vorteil schnell aus dem Hafen raus, oder schnell wieder am Platz zu sein wenn man von See kommt. Das sollten wir zu unserer Freude noch an diesem Vormittag selbst erkennen.
Skipper Jörn erwartete uns schon. Ich kannte ihn nur vom hören-sagen. Er ist ein lustiger Mensch, auf der anderen Seite aber ein kompetenter und gewissenhafter Seemann. Die Sicherheitseinweisung und Erklärung des Boots wäre auf einem Seenotrettungskreuzer nicht besser gewesen.
Die „Maja“ ist ein dieselgetriebenes Boot mit zwei Kajüten. Die oberste Kajüte ist gleichzeitig der Aufenthaltsraum mit Steuer und Funkanlage. Alles also an Steuerbord.
An Backbord wäre bei Bedarf noch ein kleiner Kochherd (mit Gas) gewesen, und dort war auch der Ein- und Ausstieg, um auf die Kajüte (auf Deck), an den Bug und zum Heck zu kommen.
Jörn steuert lieber vom Heck aus und steht dort an dem zweiten Steuer des Boots – also an Steuerbord. Von dort konnte er uns auch besser sehen.
Von diesem Platz aus konnte und sollte uns Birgit den Proviant „reinwerfen“.
In Flaschen und/oder in Tupperdosen. Die Flaschen hingen an Seilen. Die Tupperdosen wurden uns per Casher gereicht. Das alle halbe Stunde. Dieser Ablauf wurde im Hafen geklärt.
Folglich sollten Conny und ich an Steuerbord neben dem Boot schwimmen.
In der zweiten Kajüte im Unterdeck waren nur die Schlafplätze und ein kleines WC an Backbord das mit Seewasser gespült wird, und dessen Abwasser in einem Bordtank gespeichert wird. Diesen „Spülvorgang“ erklärte Jörn uns auch.
Zum Glück wie ich später erkennen sollte.
Dann hieß es: „Leinen los!“ und wir legten ab. An der Küste war sonniges Wetter und eigentlich dachte ich, dass es ein schöner Tag wird.
Der Wind war nicht zu spüren gewesen.
Die Lufttemperatur war ca. 12,1 °C, und die Wassertemperatur der Ostsee war lt. Sonar 11,7°C.
Über die Wassertemperatur machte ich mir keine Gedanken, da ich eigentlich kälteresistent bin.
Als wir jedoch ca. 1 Seemeile von der Küste entfernt waren hüllte uns Nebel ein. Der Turm des Ehrenmals war nicht mehr zu sehen. Das Tuten der Signale der Fähren, Frachter oder Seekreuzern (z.B. Die Color-Line fuhr an uns vorbei ohne dass wir sie je gesehen haben) zeigte mir aber, dass es nun recht seemännisch wird.
Wir standen alle hinten bei Jörn am zweiten Steuer, hatten die Sicherheitswesten an und konnten auf dem Radar mitverfolgen wo wir uns grade befanden. Wir steuerten die offene See auf Höhe der Eckernförder Bucht an, um außerhalb der Seefahrtstraßen zu sein.
Jörn erzählte was von Seetonnen und sonstigen Orientierungshilfen auf See, doch hier begann ich zu bemerken, dass der Wellengang nun höher und höher wurde. Selbst hier machte ich mir keine Sorgen, da ich ja weiß wie es sich in solchen Gewässern schwimmen lässt.
Ich dachte mir nur: „Wow, das wird eine Herausforderung!“ und machte weiter Bilder und Videos (für die mediale Präsentation).
Nach knapp einer Stunde meinte Jörn, dass wir nun da sind wo wir hinwollten, und das es nun losgehen könnte. Wenn wir sicher wären ob wir das auch wirklich wollten!?
Conny und ich sahen uns an. Sie sagte noch zu mir: „ Wir müssen uns hier nichts beweisen. Wenn es zu extrem wird, brechen wir ab!“
Wir beschlossen erst einmal zu schwimmen.
Das war aber bevor wir runter in die Kajüte gingen, um die Neos, die Brillen und die Kappen anzuziehen...........
Wer es nicht selbst erlebt hat sich bei Seegang Klamotten an- oder auszuziehen, dem kann ich es schwer erklären was an Bord abging.
Bei dem Versuch ein Bein in den Anzug zu stecken flog ich erst nach Steuerbord auf den Tisch um im gleichen Augenblick nach Backbord auf den Herd zu fliegen.
Das Boot rollte und schlingerte wie bekloppt.
Da wir nicht immer aus dem Fenster schauen konnten (das Boot neigte sich ab und zu mit der Reling steuerbords in die See) blickte ich immer in die Kabine. Das war ein schwerer Fehler! Mir wurde schlecht!?
Das Bauchgefühl war wie bei einem Schock. Das Blut ging aus dem Bauchraum. Alle Nerven des mittleren Körperbereichs drehten durch!!
Conny war auch schon am keuchen und fauchen um den Atem zu kontrollieren. Sie setzte sich hin und starrte nur aus dem Fenster. Dann sagte sie: „Ich spring jetzt raus!“
Schwupps war sie außenbords und schwamm. Okay, ein Mann ein Wort, und ich bin hinterher.
Im Wasser ging es mir wieder gut. Vielleicht hatte die erste Kälte des Wassers eine beruhigende Wirkung auf das Körpersystem.
Doch mit schwinden des einen Problems kam ein neues. Wo war das Boot?
Das Boot war immer ca. 20-25 m voraus. Jörn war nie in der Lage an unserer Seite zu bleiben. Dazu war die See zu hoch und die Strömungen waren zu stark.
Später erklärte uns Jörn, dass er wie verrückt versucht hatte bei uns zu bleiben. Selbst Birgit erzählte uns später wie Jörn am Steuer und am Gaszug rumfuhrwerkte um das Boot bei uns zu halten.
Wenn der Motor im Leerlauf lief trieb das Boot ab. Um unsere Schwimmgeschwindigkeit zu halten, war die Fahrgeschwindigkeit zu gering um den Strömungen und Wellen Paroli zu bieten.
Das erklärte auch warum das Boot aus meiner Perspektive aus immer so „sprang“.
Wenn Conny und ich das Boot erreichten, war es auch schon wieder weg.
Wir bekamen bei einer 1 ½-stündigen Schwimmzeit zwei Versorgungen hin. Jedoch mussten diese schnell gehen, oder wir hingen an den Flaschenleinen wie die Fische an der Angel.
Zudem kam dieses absolut beschissene und hilflose Gefühl ständig zu sehen wie das Boot weg war, während wir auf hoher See schwammen. Alleine. Im Nebel. Mit Wellen die gut und gerne 2-3 m hoch waren (vielleicht).
Ich horchte in mich rein. Die Antworten waren: „Alter!!?? Bist Du behämmert??!“
Conny sah ich mal. Mal aber auch nicht. Wir waren wie die Korken auf der See!! Auf dem Bootsheck sah ich einen großen runden weißen Kreis. Das war das Gesicht von Birgit. Da merkte ich, dass ich nicht der Einzige mit den Problemen war!
Ich schluckte literweise Salzwasser. Mir war eigentlich in den letzten 2 h nie wieder wohl gewesen. Mit dem Seewasser meldeten sich meine Innereien wieder. Aus ALLEN mir zur Verfügung stehenden Körperöffnungen meldeten sich nun Ausreisewillige!!
Dann, mit einem Mal , wollte ich raus. Ich kletterte auf die Heckplattform, rutsche jedoch ab und fiel wieder in die Ostsee. Beim zweiten Versuch hangelte ich mich in die Kajüte. Jörn stoppte den Motor. Birgit hing fest geklammert, mit beiden ausgebreiteten Armen, starr an der Reling. Conny sah ich nicht.
Ich musste WOHIN. Der obere Ausgang war schon in der Ostsee benutzt worden. Jetzt wollte die aus dem unteren Ausgang raus.
Um es kurz zu machen: Das Ausziehen des Neo bei Seegang kann sich jeder vorstellen.
Der Seegang war aber weiterhin so stark, dass ich zweimal von der Kloschüssel flog. Ich hatte es nicht mehr geschafft die WC-Tür zu schließen.
Ich weiß nicht wie lange ich Unterdeck war. Der Motor nahm wieder Fahrt auf.
Conny hatte in der Zwischenzeit das Wasser auch verlassen und saß mit einem Wärmemantel bedeckt am Hecksteuer. Auch sie hatte sich durch den oberen Ausgang erleichtert. Das wurde von Jörn im Hafen anschließend herunter gespült.
Wir waren alle sehr gebeutelt als wir wieder angelegt hatten. Nur Jörn als gestandener Seebär hatte seinen Spaß. Er gab jedem von uns einen Schnaps zur Regeneration. Erstaunlicherweise blieb dieser bei allen drinnen.
Die Stimmung war natürlich am Boden. Nicht nur ob des Chaos auf See sondern, dass wir extra hierher gekommen waren und alles in die Binsen setzten.
Birgit musste erst einmal auf dem Steg „verpusten“. Conny, Jörn und ich berieten wie es weiter gehen sollte, und was wir nun gelernt hatten:
1.) Bei so einem Wetter wird keiner von uns sein Projekt starten.
2.) Das Problem wird bei diesen Bedingungen das Boot bzw. die Fahrt des Boots sein. Wie o.g. besteht die Schwierigkeit bei dieser niedrigen Schwimmgeschwindigkeit die Fahrtgeschwindigkeit und die Bootsposition am/beim Schwimmer zu halten.
3.) Und noch etwas lernten wir an dem Tag: Niemals (als Schwimmer) bei hoher See o.ä. mit einem Boot übers offene Wasser zum Startplatz fahren!
Unsere Seekrankheit kam von der Fahrt. Nicht von dem Schwimmen........
Damit der Tag noch etwas brachte, beschlossen wir in der Förde bei ruhigerer See zu schwimmen bzw. zu fahren um unsere Thesen zu überprüfen.
Zwischenzeitlich war die Sonne auch wieder über uns. Der Nebel lag direkt vor der Küste. Im Uferbereich war es sonnig, warm und schwach windig.
Jörn schipperte uns in die Heikendorfer Bucht. In dieser Bucht ankerte die russische Windjammer: Sedov (ehemals Gotthoff).
Als Fotomotiv diente der Segler alle Male.
An der Steuerbordseite der Windjammer steigen wir von der „Maja“ aus ins Wasser. Der Plan war ca. 2 ½ h in der Heikendorfer Bucht zu schwimmen und direkt in den Sportboothafen von Laboe zurück zu schwimmen.
Das bedeutete, dass wir ca. zwei Runden in der Bucht, mit Ausgangspunkt an der Windjammer, schwammen und so zeitgerecht im Hafen landeten. Die „Maja“ fuhr immer steuerbords an unserer Seite (bei uns Schwimmern an Backbord).
Diesmal klappte alles. Das Boot blieb auf unserer Höhe, die Versorgung funktionierte und die Navigation via Boot klappte einwandfrei.
Auch als zum Ende des Tages alle möglichen Segelboote zurück nach Kiel fuhren und dementsprechend viel Betrieb auf dem Wasser war.
Dass Birgit einmal die Tupperdose unterwegs verlor und das Boot wieder zurückfuhr, lassen wir mal außen vor, grins.
Das lehrte uns die Einteilung in: Schwimmer und Boot, zu unternehmen.
Die Bootscrew macht ihr Ding und sorgt für die Sicherheit und Versorgung des Schwimmers, und der/die Schwimmer/in macht ihr/sein Ding und vertraut 100 %-ig der Crew.
Auf keinen Fall soll sich der Schwimmer seinen Kopf für Fahrt, Sicherheit usw. des Boots und der Crew zerbrechen. Wenn der Skipper sagt: „Nach Backbord!“, schwimmt der Schwimmer nach Backbord. Wenn der Skipper sagt: „Achtung, Schiff kreuzt. Stopp!“ dann stoppt der Schwimmer. Wenn der Skipper oder die Crew was verlieren, holen die sich das wieder oder lassen es sein. Der Schwimmer zieht seinen Stremel durch.
Das Schwimmen selber war trotz bedingtem Kälteschutz durch den Neo zum Ende hin unangenehm.
Meine Hände verkrampften und dadurch zwickte und schmerzte es in meinen Schultern. Der Zug wurde unvollständig und ich ermüdete. Schlapp gemacht hatte ich nicht, jedoch war ich froh als wir im Hafen ankamen und unsere Aufgabe vollendet hatten.
In Anbetracht der Dinge am Vormittag war ich froh, als wir dann doch noch 2 ½ Stunden in der Förde geschafft hatten. Conny hatte zwar mehr vor, jedoch war sie am Vortag (und auch am Sonntag) genug aktiv gewesen.
Ich sehe für Ihr Projekt keine Probleme, da wir am Samstag so viel gelernt hatten und quasi so viel Murks durchgestanden hatten, dass es nur besser werden kann.
Es fehlte nur noch strömender schräger Regen auf hoher See oder ein Motorschaden, eine Havarie oder der komplette Untergang des Boots.
Doch das wird nicht passieren.
Die Zeichen stehen auf Erfolg. Bei Conny und bei mir.
Ich danke Conny und Birgit und natürlich dem Skipper Jörn. So etwas können wir in Zukunft öfters machen. War Klasse!!!!!
Bis dahin, eine gute Zeit.
Mein Name ist Ulli Stägemann, ich bin ein Ultraschwimmer
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