Niemals ohne meine Schwimmboje, oder wie die Boje mich aus einer Blutfehde errettete
- thorsten-ullrich
- 10. Juni 2019
- 5 Min. Lesezeit
Seit dieser Saison schwimme ich zumindest wenn ich keine Bootsbegleitung habe, oder es ein wenig länger dauern sollte, mit einer Schwimmboje.
Neben der Illusion der Sicherheit und der Praktikabilität, dass ich die Verpflegung in der Boje transportieren kann, ist es mir lieber von Kajak- und Kanufahrern usw. und von den Schiffsbetreibern der Ausflugsschiffe usw. rechtzeitig gesehen zu werden.
Nun bin ich mit meiner knallorangen Boje bekannt wieder sprichwörtliche bunte Hund, und ich habe die Verpflegungsstopps und das Handling mit den Flaschen, Powerriegeln usw. eingespielt.
Der Kenner weiß, dass ich regelmäßig in der Wakenitz hier in Lübeck trainiere. Das Gewässer ist mal ruhig, mal kappelig und ich geniese die Tatsache, dass ich die Trainingsetappen je nach Länge des geschwommenen Flußabschnitts einteilen kann.
Des Weiteren weiß ich wohin mit meinem Auto (der Autoschlüssel kommt in die Boje) und am Ende bekomme ich von Jan, der in der Surfschule am Anfang des Flusses arbeitet, hinterher entweder einen Kaffee oder eine Cola. Bier nicht. Da Jan keinen Kühlschrank in der Surfbude hat.
Ich schwimme dort im Winter, im Frühling, im Sommer und im Herbst, und ich liebe es, wie sich das Gesicht des Flusses in den Jahreszeiten und besonders bei jedem Wetterumbruch ändert.
Klar. Die Surfschule hat in den kalten Jahreszeiten zu (dann trinke ich nach dem Eiswasserschwimmen Tee aus der Thermoskanne. Im warmen Auto.), aber ab dem Frühling tobt das Leben in, auf und neben dem Fluss.
In den letzten Wochen spross nicht nur das "Grünzeug" im Wasser, und die Bootsausflügler wurden auch wieder mehr, auch die Tiere der näheren Umgebung brachten ihren Nachwuchs zur Welt und machten mehr Ausflüge auf dem Wasser als sonst. Besonders die Wasservögel.
Bei meinen regelmäßigen Schwimmausflügen dachte ich insgeheim Freundschaften mit den Schwänen und den Graugänsen geschlossen zu haben. Jedoch musste ich erfahren, dass wild lebende Tiere eben keine Haustiere sind. Des Weiteren leben sie mit eigenen Gesetzen, die man sich als Mensch immer wieder vergegenwärtigen muss.
Wenn ich am oberen Flussabschnitt starte und flussabwärts schwimme, habe ich einige Punkte am Ufer, an denen ich Pause mache, meine Boje öffne und mich verpflege usw.
Im oberen Flussabschnitt liegen viele private Grundstücke die man nicht "beschwimmen" darf, und je weiter ich flussabwärts komme, desto wilder wird der Uferbewuchs und desto schwieriger wird es eine vernünftige Stelle zu finden, an die man vom Wasser her rankommt - ohne durch Gehölz oder Abbruch verletzt zu werden, oder um sich mal einfach vernünftig hinzusetzen.
Eine schöne Stelle hatte ich hinter der großen Wallbrechtbrücke ausgemacht. Da münden Stege einer alten Schrebergartenkolonie (die vermutlich aufgegeben wurde) ins Wasser. Da ist eine Leiter, an die ich rangehe, meine "Bojen-Brottasche" auf dem kleinen Steg ablege und meine Trinkflasche ansetze. Auf den Sprossen der Leiter relaxe ich kurz, bevor es weiter geht.
Diese Gegend ist gleichzeit das Revier von unzähligen Wasservögeln. Stockenten, Krikenten, Blesshühner, sogar Cormorane und eben Graugänse und Schwäne sind dort mit ihrem Nachwuchs zu finden. Höckerschwäne um genau zu sein. Klugschiß mit Chris.
Vorgestern zählte ich bei den Graugänsen 7 Kücken (die ungefähr taubengroß waren), neben Graugans-Mama und Graugans-Papa.
Die Schwäne (Mama und Papa) hatten 6 Küken, die schon so groß wie Hühner waren.
Die Schwanenfamilie campierte jenseits der Anlegestelle des Schrebergartens am gegenüber liegenden Ufer. Die Graugänse beanspruchten das Gebiet diesseits des Flusses für sich.
Als ich heute dort ankam, auf der Leiter hockte und meine Verpflegung vornahm, sah ich im Augenwinkel die Schwanenküken als Wagenburg hinter dem dritten Steg (von mir aus gesehen), und die Schwaneneltern aufgeplustert herumpatrollieren. Die Gänse sah ich nicht.
Nun sind mir Schwäne nicht besonders symphatisch, seit mich als Kind mal ein Schwan ungehauen hatte, weil er an mein Toastbrot in meiner Hand heran wollte. Ich gehe bzw. schwimme denen lieber aus dem Weg.
Vor Jahren gab es ein Schwan auf der Wakenitz der alles und jeden angriff. Auch mich. Doch das führte ich auf meinen Neoprenanzug zurück.
Ab und zu werde ich auch von Möwen in der Ostsee angegriffen, wenn ich an der Küste im Neo schwimme. Wer weiß denn schon was im Kopp von den bekloppten Vögeln so herum geistert?
Nun denn. Ich kümmerte mich heute nicht um die Schwäne und Gänse.
Allerdings sahen das die Vögel anders.
Wie gesagt: Ich stand halb im Wasser auf der Leiter. Rechts umittelbar an mir der kleine Steg Nummer 1, im Rücken die Uferbefestigung (aus Holz), links von mir ungefähr 2 m entfernt, Steg Nummer 2, also in einem Korridor von vielleicht 2 m mal 2 m.
Plötzlich tauchte ein Graugansküken vor mir auf, das auf den offenen Fluss wollte. Es hatte den Weg grade aus dem Korriodor geschafft als sich beide Schwaneneltern auf das Küken stürzten und es ertränkten. Das Küken hatte ich nicht mehr gesehen.
Ich musste meine Augen reiben, weil ich das Gesehene nicht begriff. Dann kam eine Graugans, eventuell die Mama, und wurde sofort von beiden Schwänen attakiert. auch diese sollte ertränkt werden. Jedoch schaffte es die Gans unter den Steg, sodass die Schwäne nicht mehr hinterherkamen.
Die Graugans-Mama tauchte wieder zurück und versteckt sich hinter/neben mir. Sie klemmte sich schutzsuchend unter meine Achsel des rechten Arms.
Alter!! Ich ahnte was nun kommen sollte!!
Beide Schwäne attakierten nun mich. Das verschaffte Graugans-Mama Zeit und Gelegenheit zu flüchten. Jedoch machte ich mir fast in die Badehose!!
Habt ihr es schon mal erlebt wie so ein Schwan angreift?
Der Kopf mit dem langen Hals biegt sich wie bei einer Kobra, das Fauchen und Zischen ist wie bei 20 Kobras, und der Flügelschlag fühlt sich wie ein Punsh von Bruse Lee an (als er ein kleiner Junge war).
Da die Gans gerettet war, tauchte ich ins Wasser und wollte zwischen beide Schwänen durchschwimmen, die aufgeplustert und fauchend wie der Koloss von Rhodos vor mir waren und auf mich einhackten.
Die BOJE war mein Schutzschild und meine Wand. Ich hielt sie entweder vor mich oder über meinen Kopf und konnte somit die Flügelschläge abpuffern.
Vermutlich irritierte die knallige Farbe die Beiden, denn sie liessen von mir ab, als ich in der Mitte des Flusses war. Dafür bekamen die Stockenten und Blesshühner den Groll der blöden Viecher zu spüren. Doch die kleinen Wasservögel können schnell und einfach fliehen.
Für den Rest der Schwimmstecke war ich erst einmal bedient. Ich dachte die ganze Zeit über das Ereignis nach. Waren wirklich alle Gänseküken tot? Und sogar der Gänse-Papa? Was sind Schwäne bloß für "unappetitliche Körperöffnungen"?!
Muss ich tatsächlich wieder aufpassen beim Schwimmen, dass mir die blöden Schwäne nicht mehr in die Quere kommen?
Vor allen die Gänse-Mama, die sich an mich geklemmt hatte berührte mich!! Sie hatte voll gezittert, und ich konnte ihre Todesangst spüren!!! Das muss Mann erst einmal verarbeiten!
Das ist das Gleiche wie mit den verfluchten Elstern in der angrenzenden Ostbaumwiese meines Gartens zuhause.
Seit Wochen räubern die die Nester der Amseln aus. Ich bin andauernd dabei mit dem Super-Soaker meiner Tochter die Elstern abzuschiessen, damit die Eier in den Amselnestern erhalten bleiben.
Ich kann doch nicht mit einer Schwimmboje und einem Super-Soaker bewaffnet die Vögel retten!!? Ich bin ein Schwimmer! Ich bin im Wasser zuhause! Der Luftraum ist unbekanntes Territorium!!
Aber gänzlich zu sagen: "Was solls! Is eben Natur!", kann ich auch nicht sagen.
Scheiß-Thema.........................
Mein Name ist Ulli Stägemann und ich bin Ultraschwimmer
Fotos, Quelle:
Selbst
ln-online, SPON, lübeck-tourismus
www.brodowski-fotograf.de
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